(9-2002/2003) Zurück in Freiberg

Mitte November zog ich wieder bei meinen Eltern ein. Ich musste Leipzig hinter mir lassen, es ergab sich keine andere Möglichkeit. Da ich im Alter von 17 Jahren noch schulpflichtig war musste ich an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme in Chemnitz teilnehmen.
Mein Vater begleitete mich an meinem ersten Tag. Trotz meiner schweren Depression sollte ich keine Ruhe finden sondern voran schreiten und funktionieren. Es machten sich starke Ängste breit, als ich Anfang Dezember dorthin wechselte. Ich konnte keine Leistung bringen und zu den anderen Teilnehmern bekam ich keinen Kontakt. Von den Fahrten nach Chemnitz und einem 8 Stunden Tag fühlte ich mich ausgezehrt, aber es half nichts ich musste da durch und ließ es über mich ergehen.
Meinen 18. Geburtstag im Januar wollte ich eigentlich nicht feiern, denn ich verspürte eine Scheu gegenüber den Gästen. In meiner Körpersprache war ich wie versteinert und sprach kaum ein Wort.
Anfang Februar schlug die Depression in eine Manie um, das geschah wieder ganz plötzlich.
Wenn man endlich aus dem Dunkel ans Licht kommt ist die Freude riesengroß.
Ich suchte im Internet verstärkt nach Kontakten zu Männern.

Im Februar fuhr ich mit dem Zug nach Köln um mich mit einem Jungen in meinem Alter zu treffen.
Als ich in Köln ankam sprachen mich Punks an und ich schenkte ihnen etwas von meinen Medikamenten und folgte denen in eine Art Obdachlosencafé. Ich musste später feststellen, dass ich beklaut wurde. Einige Tage übernachtete ich im Elternhaus meiner Bekanntschaft und hatten Spaß miteinander.
Allerdings musste er an den Wochentagen die Schule besuchen und so beschäftigte ich mich mit mir selbst und machte Straßenmusik um für die Punks Geld zu sammeln.
Ich war völlig von der Rolle und die Manie steigerte sich, vor allem auch weil ich nur wenig schlief.

Im Rahmen der Bildungsmaßnahme standen Praktika an.
In Freiberg arbeitete ich im Eine Welt Laden und dem Studierendenbüro, jedoch musste ich beide Stellen vorzeitig abbrechen, weil ich mich unmöglich verhielt.
Ich sah die Manie als nicht bedrohlich an sondern empfand den Wechsel wie eine Erlösung von meinem Leid. Nun war die Episode nicht aufzuhalten und ich hatte keine Krankheitseinsicht, was die Behandlung sehr schwierig macht. Ich erfuhr durch meine Psychiaterin kein Verständnis, mir wurde regelrecht unterstellt, dass es eine böse Absicht meinerseits war.
Die Schuld sollte bei mir liegen und ich müsse mich zusammenreißen. Letztendlich wollte sie mich nicht weiter behandeln. Meine Eltern waren im ersten Moment hilflos.
Glücklicherweise stieß meine Mutter auf einen Flyer auf dem die Kontaktdaten von einer Oberärztin der psychiatrischen Institutsambulanz des Uniklinikums Dresden stand.
Diese Anlaufstelle sollte mein Rettung sein. Die Ärztin führte mit mir ein Diagnostikgespräch und stellte mir mit Gewissheit die Diagnose einer bipolaren Störung.
Kurz darauf wies sie mich im März auf die Depressionsstation ein.

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