Die Stabilität hielt leider nur zwei Wochen an und ein weiteres letztes EKT wurde ambulant durchgeführt. Es fiel mir sehr schwer ein weiteres Mal die Station betreten zu müssen.
Ende April besuchten mich meine Freundin und ihr Sohn. Ich konnte die Zeit genießen und meine depressive Verstimmung löste sich.
Ein paar Tage hielt die ausgelassene Stimmung an bis ich erneut in ein tiefes Loch stürzte. Drei bist fünf Tage konnte ich das Gleichgewicht halten bis ein erneuter Schub eintrat. Im Juni wurde mir klar, dass eine Psychotherapie eine große Hilfe sein könne. Meine Mutti machte sich im Internet nach meiner damaligen Therapeutin schlau und fand einen Internetauftritt von ihr. Sie bot mir eine fünfstündige Therapie an und wollte mir mittels der EMDR Therapie (Gehirnhältentraining) helfen. Bereits nach zwei Stunden war sie der Meinung, dass vorrangig eine Krisenintervention nötig sei.
So zeigte sie mir verschiedene Skills, welche ich in einer Notsituation anwenden solle. Nach mehrmaligem Ausprobieren kam ich zu dem Entschluss, dass dies keine Wirkung erzielte. Leider hatte meine Therapeutin kein Verständnis für meine Sicht und gab mir zu verstehen, dass sie mir nicht helfen könne.
Als ich schließlich Herrn Ritter um eine Psychotherapie bat reagierte er sofort.
Es vergingen gerade mal zwei Wochen und ich konnte meine erste Therapiestunde
wahrnehmen. Seit August ging ich wöchentlich zur Therapie.
Wichtig war mir das Führen eines Stimmungskalenders um den Verlauf von stabilen Tagen und Verstimmung genauer im Blick zu haben.
Im Juli begann ich auch wieder mit meiner ehrenamtlichen Arbeit, die ich zweimal die Woche für drei Stunden ausführte.
Ich wurde von meinen Kollegen sehr gut aufgenommen und es gab keine unangenehmen Fragen.
Trotz das es mir oft schlecht ging hatte ich nach getaner Arbeit keine Kopfschmerzen.
Ich hielt das Arbeitspensum sehr gut aus.
Den Gottesdienst mieden wir weitestgehend, weil die teils erzwungenen Gespräche lästig waren
und vor allem dem Pastor die Empathie fehlte.
Im August starteten wir den Versuch für eine Übernachtung nach Rathen zu fahren.
Wir schauten uns auf der „Felsenbühne Rathen“ das Musical „Zoro“ an.
Der Tapetenwechsel hatte mir gut getan.
Kurze Zeit später fuhren wir zwei Tage nach Erfurt. Seit Rathen hatte ich durchweg gute Tage gehabt.
Schließlich wagte ich einen weiteren Schritt und reiste allein mit dem Zug nach Leipzig. Ich nahm mir in der Nähe der Wohnung meiner Freundin für zwei Tage ein Zimmer in einem Hostel. Ich fühlte mich recht wohl, obwohl es mir am Tag davor wieder einmal sehr schlecht ging.
Am Abend traf ich mich mit meiner Freundin in einer Bar und war sichtlich gelöst und aufgedreht. Ich spürte erstmals wieder mein wahres Selbst.
Die Feier anlässlich des 55. Geburtstages meiner Schwiegermutter stand im September bevor. Ich empfand große Aufregung, denn seit der Hochzeit hatte ich die Familie von Christian nicht mehr wieder gesehen.
Ich grübelte während wir zu Besuch waren und konnte mich dennoch über das Wiedersehen freuen.
Im September entschloss ich mich wieder in einem Fitnessstudio anzumelden, denn eine sportliche Aktivität würde mir gut tun.
Ich hatte noch immer „Tavor“ in meiner Medikation, dieses sollte aber langsam abgesetzt werden.
Langsam setzte ich das Medikament ab und bekam leider starke Suizidgedanken und musste den Akutarzt in der Klinik aufsuchen. Es wurde sofort wieder eindosiert.
Ab Dezember konnte ich mich für vier Wochen stabilisieren, obwohl ich Weihnachten gegenüber große Bedenken hegte. Es verlief aber alles friedlich, endlich konnte ich Weihnachten genießen.
An Silvester gingen Christian und ich ins Kino und in ein Restaurant essen.
Ich war stets bedacht wenig Stress zu haben und mich zurück zu nehmen, wenn es erforderlich ist.