(1998, Sept. – Dez.) Ergänzung, Erlebnisse in der Psychiatrie

Den ersten Psychiatrieaufenthalt verbrachte ich im Alter von 13 Jahren in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Wechselburg. Voran ging meine erste manische Episode, die mich zunächst in die Notaufnahme in Freiberg führte und im Anschluss in die Psychiatrie. Die Einweisung erfolgte durch die Kinderklinik. Ich hatte anfangs keine Ahnung was mit mir geschah, denn ich fand mich an einem völlig fremden Ort wieder. Ich fühlte mich wie in einer Parallelwelt, welche mitnichten mit meinem vorhergehenden Leben vergleichbar war. Bisher war ich nicht länger als eine Woche von zu Hause weg gewesen und jetzt sollten es 4 Monate sein.

Meine Erinnerungen an diese Zeit sind vage und stellen nur einen kleinen Streifzug durch das Erlebte dar.

In den ersten Wochen durften mich meine Eltern an den Wochenenden nur besuchen bis ich später samstags abgeholt und sonntags zurück in die Psychiatrie geschafft wurde. Man legte mich in ein Doppelzimmer und teilte dieses mit einem 17 Jahre alten Teenager. Wir sprachen kaum miteinander, aufgrund meiner Depression wusste ich auch einfach nicht was ich erzählen sollte. Ich hatte ausschließlich negative Gedanken und zog mich meist in mich zurück. Ich fasste kaum Kontakt zu den Mitpatienten und fühlte mich als Außenseiterin. Wenn ich mich in einer Depression befinde fällt es mir grundlegend schwer zu sprechen. Meine Sprache ist verlangsamt und die Worte hören sich schwerfällig an. Ich bin meist stumm und dies wird leider auch oft damit verwechselt, dass man in gewisser Weise minderbemittelt ist. Meine Mitpatienten hielten mich sicher für dumm und mieden weitestgehend meine Gegenwart.

In dieser Zeit sprach ich das erste Mal mit einer Psychologin, keiner wusste warum ich depressiv und manisch wurde also suchte man nach Gründen. Leider mussten sich meine Eltern damit auseinandersetzen und den Fragen stellen. Für mich war damals schon glasklar, dass es nichts mit meinem Elternhaus zu tun habe. Ich sah mich als Übeltäter, der die eigene Familie in Verwirrung und starke Veränderung brachte. Dementsprechend zweifelte ich stark an der Liebe meiner Eltern und meinte, dass ich als Tochter quasi wertlos sei.

Es wurde entschieden, dass ich ab sofort Medikamente nehmen würde auch wenn die genaue Diagnose zu diesem Zeitpunkt unklar war. Des Weiteren erinnere ich mich an die Kunsttherapie in der wir zu Musik malen sollten. Es kam vor, dass mir nichts einfiel und ich mich dafür schämte und quälte. Solche Erfahrungen verstärkten die Depression aufgrund von Versagensängsten. Ich war dazu angehalten ein Stimmungstagebuch zu führen. Tag für Tag starrte ich auf ein weißes Blatt Papier, welches beschrieben werden musste. Ich gab mir Mühe dieser Pflicht nach zu kommen, doch wusste ich nicht wie ich meine Gefühle ausdrücken sollte, denn ich spürte mich nicht wirklich. Also schrieb ich wahllos ein paar Zeilen, mit denen ich mich aber nicht identifizieren konnte. Die Reflektion meiner Stimmung brachte mir rein gar nichts, denn ich verstand mich und meine Gefühlswelt dadurch nicht besser. Dies war mir zu abstrakt. Einmal die Woche musste ich den Saunagang über mich ergehen lassen. Die Teilnahme war ein absolutes Muss obwohl ich dies regelrecht hasste und mich innerlich dagegen sträubte. Vielleicht sollte es mir Entspannung bringen, ich konnte den Sinn dahinter nicht erkennen. Letztendlich hat mich das traumatisiert und ich würde niemals wieder eine Sauna betreten. Die Krankenschwestern machten mit uns auch diverse Ausflüge. Besonders gut erinnere ich mich an eine Fahrradtour wofür sich meine psychische Verfassung gar nicht eignete, denn ich hatte ständig das Gefühl die Balance zu verlieren und in den Abgrund zu stürzen. Ich sagte natürlich nichts von meinen Problemen.

Jede Beschäftigung stellte eine große Herausforderung dar, so auch der Unterricht in der Klinikschule. Meine Leistungen waren viel schlechter als gehabt und dem Misserfolg gab ich mich hin. Die negativen Gefühle nahmen zu, ich fühlte mich für alles Geschehene schuldig und fragte mich, ob ich wohl jemals wieder ein normales Leben führen könne. Die Zeit zog sich und oft dachte ich, dass es noch viele Kilometer bis zum Ziel seien und eigentlich unerreichbar für mich. Ich verspürte lange Zeit absolut keine Fortschritte und war völlig hoffnungslos. Niemand konnte mir in dieser verzwickten Situation helfen, ich musste ganz allein da hindurch. Ich selbst bezeichnete mich als verrückt und abnorm. Mit diesem Vorurteil würde ich die nächsten Schuljahre konfrontiert sein.

Ich kann sagen, dass sich ich im Dezember eine Verbesserung meiner Stimmung einstellte und erstmals Lichtblicke wahrnahm, Druck und Ängste fielen von mir ab. Ich hatte auch wieder Spaß beim Singen und ließ mich sogar dabei filmen. Meine Person wurde von den Krankenschwestern bemerkt, in einer positiven Weise und ich konnte mich erbauen. Bei dem Gedanken an die Rückkehr in meine Schulklasse wurde es mir nicht mehr bange sondern ich sah dem positiv entgegen. Die depressive Episode nahm tatsächlich ab und ich durfte mit Beginn der Weihnachtsferien endlich entlassen werden.

Der Psychiatrieaufenthalt war unbedingt erforderlich gewesen und hat zu meiner psychischen Stabilität beigetragen. Ich befand mich zuvor in einer ausnahmslosen Krise und keiner wusste was wirklich mit mir passierte. Die Klinik brachte die nötige Intervention. Ich hatte dort Ruhe und konnte mich wieder auf den richtigen Weg machen.

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