Wenn die Depression zurückschlägt

Wie aus dem Nichts kommt sie wieder über meiner Mutter Seele und nistet sich dort ein.

Zunächst ist es nicht begreiflich und man kämpft dagegen an, dass es nun wieder soweit ist und das Dunkel zurückkehrt. Es besteht Hoffnung, dass sich die Episode nur leicht andeutet und nicht manifestiert.

Als ich die ersten Bedenken hinsichtlich einer erneuten Episode erfuhr, mochte ich das keinesfalls wahrhaben und auch nicht ernst nehmen. Es handele sich sicher nur um eine Verstimmung, meinte ich und gemeinsam würden wir es schaffen die Depression nicht ausbrechen zu lassen.

Ich war mir anfangs so sicher, dass es aufzuhalten ist. Ich wollte es von mir stoßen, es durfte einfach nicht sein. In meinen Gedanken schrie ich auf: „Du blödes Vieh, weiche, hinfort mit dir, du wirst nicht siegen“. Es kostet allerdings sehr viel Kraft, wenn man gegen etwas ankämpft was dann doch nicht vermeidbar ist. Der Ausbruch der Krankheit wurde dann doch Realität und nun hieß es für mich, Mutti zu unterstützen wo es nur geht.

Ich hatte jedoch große Angst es nicht zu schaffen und selbst zu erkranken. Ich fühlte mich dieser Aussicht nicht gewachsen, auch weil ich annahm, dass es eine lange Zeit andauern könnte, bis es überstanden ist. In der ersten Zeit war ich sehr wütend über dieses erneute Schicksal und wollte immerzu schreien, was ich auch hin und wieder tat.

Es folgten auch ein paar Tage an denen ich mich selbst depressiv fühlte und nicht weiter wusste.

Glücklicherweise verging dies und ich stabilisierte mich. Es ist mir das Wichtigste in dieser schweren Zeit für meine liebe Mutti da sein zu können und mich nicht mit in den Strom hereinziehen zu lassen sondern klar im Geist zu bleiben.

Das gelingt mir bis heute ganz gut, auch wenn mich der spürbare, wachsende Leidensdruck schmerzt. Oft denke ich über die Sinnhaftigkeit des trüben Geschehnisses nach, diese wird wohl erst im Nachklang zu finden sein, wenn es überstanden ist.

Ich klammere mich immer an der Tatsache fest, dass wir zumindest mit der Liebe zueinander das Leid schmälern können. In diesen Zeiten rücken Mutti und ich eng zusammen, das Band zwischen uns ist immens stark und wird niemals abreißen.

Natürlich musste ich selbst über meine Erkrankung nachdenken, wie schnell die Stimmung umschlagen kann und wie schwerwiegend es eigentlich ist. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass Stabilität keine Selbstverständlichkeit und jeder gesunde Tag ein Geschenk ist.

Wie froh ich doch sein kann, dass in meinem Fall eine wirksame Medikation gefunden wurde, mit welcher ich relativ normal leben kann. Meinem Psychiater vertraue ich in großem Maße, er ist ein sehr guter Facharzt und seine Expertise hat sich über all die Jahre bewährt.

Manchmal bin ich mir unsicher, ob die Wirksamkeit einiger Antidepressiva überhaupt bewiesen ist.

Die Wirkung ist an die Individualität eines jeden Erkrankten gekoppelt und das macht es so kompliziert, denn es gibt kein Allgemeinrezept. Wieso verlieren scheinbar wirksame Medikamente irgendwann doch ihre Wirkung auf diese man so sehr vertraute?

Eine diagnostizierte Depression ist also unberechenbar, wie die aktuelle Instabilität meiner Mutter zeigt. In mir wohnt Hoffnung auf Genesung. Ich glaube fest daran, dass es absehbar ist, dass die Episode auch wieder endet.

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