(7-2002) Die erste eigene Wohnung, der erste Freund

Als ich wieder in Leipzig ankam, hatte ich den außerordentlichen Wunsch in eine eigene Wohnung zu ziehen. Eine Mitschülerin suchte eine Nachmieterin für ihre Unterbringung und ich entschied mich zuzuschlagen. Im März zog ich vom Gästehaus in eine möblierte Wohnung in Plagwitz.
Wenn ich an den Wochenenden nach Freiberg fuhr, besuchte ich jeden Samstag Abend den dortigen Studentenclub um zu tanzen. Gespielt wurde hauptsächlich „Alternative“. Ich hatte zuvor kaum Tanzerfahrungen in Clubs gesammelt. Jetzt sollte das Tanzen eine große Leidenschaft werden, die ich so oft es nur ging ausleben wollte.
Anfang März lernte ich in diesem Club meinen ersten Freund kennen. Er war 14 Jahre älter als ich und studierte BWL. Aufgrund seiner Alkoholsucht musste er das Studium jedoch abbrechen.
Ich sah in ihm meinen Traummann. Sein Interesse an mir machte mich unglaublich Stolz, auch wenn wir uns keinesfalls auf Augenhöhe begegneten. Das spürte ich erst viel später.
Von ihm bekam ich meinen ersten Kuss. Für ihn meldete ich mich krank, denn ich wollte an seiner Seite sein. Er stellte mich seinen Freunden vor und wir gingen zusammen aus. Im „Erdalchemistenclub“ in Freiberg besuchte er regelmäßig einen Boogie Woogie Tanzkurs. Einmal nahm er mich mit dahin und versuchte mit mir zu tanzen, weil ich mich nicht führen ließ brach er ab.
Ich war einfach viel zu ungeduldig um seinen Anweisungen folgen zu können.
Als wir uns gemeinsam das Theaterstück „Mephisto“ ansahen konnte ich mich nicht konzentrieren und sprach andauernd dazwischen. Unsere Liaison dauerte gerade mal 6 Wochen an.
Natürlich war ich viel zu jung für ihn und wir Beide hatten große Probleme, das konnte nicht funktionieren. Ich habe den Kontakt zu ihm nie bereut. Es stellte letztendlich eine wichtig Erfahrung dar.
Ein weiterer Club, das „Darkflower“ in Leipzig, wurde beinahe mein zweites Zuhause.
Hier muss ich anmerken, dass ich mich schon seit der 10. Schulklasse für die Gothic Subkultur interessierte.
Zum Leid meiner Eltern trug ich bei der Abschlussfeier ein schwarzes Samtkleid, Netzstrumpfhosen und Pikes (besonders spitze Schuhe). Sie schämten sich für mich. Zu der damaligen Zeit waren „Gruftis“ noch verschrien und man fiel auf. Ich war von meinem Outfit überzeugt und bin es auch heute, denn ich kleide mich nach wie vor so. In Freiberg gab es einige Szeneanhänger und sogar einen Gothic Laden.
Von Leipzig versprach ich mir den Kontakt zu anderen Gruftis, denn mir war bekannt, dass da zu Pfingsten das größte Szenetreffen der Welt stattfand. Während der Depression zweifelte ich allerdings an meiner Vorliebe und fühlte mich als Grufti „untrue“. Was sich in der Manie schlagartig änderte. Ich liebte das groteske Image der Szene und fühle mich bis zum heutigen Tage zugehörig.
Das „Darkflower“ besuchte ich meist dreimal die Woche, selbst am Mittwoch. In der Schule hing ich nach solch einer Tanznacht durch. Es war mir egal, ich wollte Spaß haben und nicht verzichten müssen. Meine Tanzlaune war unerschöpflich, ich konnte von dem gewonnenen Hochgefühl nicht genug bekommen. Es glich einer Droge wobei ich kaum Alkohol trank, die Manie tat ihr Übriges.
Ich lernte viele Männer kennen mit denen ich Sex hatte, denn eines der Symptome ist eine gesteigerte Libido.
Eine etwas ernstere Beziehung ging ich mit einem Mann ein, den ich im Internet kennenlernte.
Er wohnte in Bonn und besuchte mich erstmals im Juli. Er war immerhin 12 Jahre älter. Ihm ging es eindeutig ausschließlich um den Sex. Ich besuchte ihn zweimal in seiner Heimat. Sobald ich mich im September in einer Depression befand, machte er mit mir Schluss.
Ich lebte über meine Verhältnisse und gab Geld aus was ich nicht hatte. Meine Eltern mussten mir unter die Arme greifen, weil meine Ausbildungsvergütung nicht ausreichte.
Für das Wave -Gotik-Treffen beispielsweise ließ ich mir extra einen Reifrock für 750 DM nähen.
Ich suchte mir gleich zwei Hobbies, den Gesangsunterricht und eine Schauspielgruppe.
Beides lag mir tatsächlich und ich überschätzte mich in diesem Fall nicht.
Von Mitte Februar bis Mitte September erlebte ich also eine exzessive Zeit.

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