Neues Ehrenamt

Wie zuletzt im Jahresrückblick erwähnt, hatte ich im Februar 2024 ein neues Ehrenamt begonnen. Ich möchte noch etwas detaillierter auf die dort herrschenden Missstände eingehen. Ich hatte mir die Pflege und Betreuung auf dem geschlossenen Wohnbereich ganz anders vorgestellt. In der Annahme, dass es da einen größeren Personalschlüssel und entsprechende Fachkräfte gäbe.

Die Kollegen waren mir gegenüber kaum aufgeschlossen und wirkten auf mich sehr unfreundlich. Ich fühlte mich von Beginn an nicht willkommen und spürte bei jeder Kontaktaufnahme ein ungutes Gefühl. Die Alltagsbegleiterin auf dem Wohnbereich gab mir am ersten Tag eine Einweisung, in der sie mir die einzelnen Bewohner vorstellte und den Tagesablauf näherbrachte. Sie störte es allerdings, dass ich genauere Auskünfte wollte, um mich besser einfühlen zu können. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt schon gewusst hätte, wie es läuft, dann hätte ich diese Haltung eher verstanden. Denn es ging hier schließlich zuallerletzt um ein gewisses Empathievermögen. An meinem zweiten Arbeitstag bemerkte ich die Unstimmigkeiten zwischen dem Personal und den Bewohnern. Sobald sich jemand ihrer Meinung nach nicht benahm, wurden die Leute in einem rauen Ton ausgeschimpft. In meinen Augen war es eine sehr umstrittene Art- und Weise Menschen mit einer körperlichen und geistigen Beeinträchtigung zurechtzuweisen. In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit war mir dieser Umgang völlig fremd gewesen und es schockierte mich. Ich habe nicht einmal liebevolle, fürsorgliche Worte den Bewohnern gegenüber vernommen. Mir wurde schnell bewusst, dass sie wie Menschen zweiter Klasse gesehen wurden.

Ein geistig behinderter Mann ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Er war sehr redselig und wiederholte seine Worte immer wieder. Dieser wurde dafür belächelt und getadelt, keiner hörte ihm wirklich zu. Er suchte wohl auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter, die ihn aber nur als störend empfanden. Ich konnte gut mit ihm umgehen und blieb ruhig, auch wenn es mitunter auch anstrengend war auf ihn einzugehen. Als ich mit ihm im Park spazierte, fand ich heraus, dass er schön singen kann, Texte erinnerte und Freude dabei hatte. Ich erzählte schließlich den Kollegen von seinem Talent, denen war das, wie zu erwarten, egal. Wie schade es doch ist, dass seine Ressourcen nicht gefördert werden. Ich bin mir sicher, dass er sich durch eine adäquate Betreuung besser entfalten würde. Ich könnte mir auch vorstellen, dass seine Ausdrucksweise mit den vielen Wiederholungen weniger werden würde.

Leider berief sich die Alltagsbegleiterin auch beim Spielangebot absolut nicht auf die Stärken der Leute. Sie vereinfachte beispielsweise die Regeln des Roulette Spieles mit der Aussage, dass sie das sowieso nicht verstehen würden und es deshalb egal sei, wie es gespielt werde. Diese Bemerkung hatte mich wirklich sehr verärgert. Normalerweise soll solch eine Angebot auf die Fähigkeiten der teilnehmenden Bewohner abgestimmt sein. Ziel ist es, dass sie durch einen möglichen Erfolg motiviert bleiben und ihr Selbstbewusstsein gefördert wird. Wie ich feststellte, waren die Teilnehmer immer dieselben, jene die relativ einfach zu handhaben waren.

Ich habe in der Zeit, als ich dort war, nicht einmal erlebt, dass auch die restlichen Bewohner in irgendeiner Beschäftigung involviert waren.

Zu Beginn meiner Arbeit fiel mir eine Frau auf, die wohl erst seit einer Woche auf dem Wohnbereich lebte. Anfangs hieß es, man könne noch nicht mit ihr nach draußen gehen, weil sie wohl weglaufen könne. Doch selbst nach ca. 4 Wochen hatte sich keiner vom Personal darum bemüht, mit ihr spazieren zu gehen. Nur weil ihr Angehöriger konkret den Wunsch äußerte, sollte ausgerechnet ich mit ihr rausgehen, obwohl sie als schwierig zu führen galt. Das war wieder eine Vorgehensweise, die mich schockierte. Wie ich feststellte, konnte man mit ihr sehr wohl einen ruhigen Spaziergang unternehmen.

Als besonders würdelos empfand ich die Tatsache, dass die Bewohner schon am Nachmittag gewaschen wurden und auf dem Gang in ihrem Nachtgewand saßen. Sie trugen noch nicht einmal ein Oberteil oder Bademantel darüber. Dieser Anblick machte mich einfach nur traurig.

Mir fiel weiter auf, dass kaum Besucher kamen und deshalb wohl die entsprechenden Zustände nicht kritisiert wurden. Außerdem gab es auf diesem Wohnbereich keinen, der seine Stimme hätte erheben können um sich in irgendeiner Weise zu beschweren. Keiner der Senioren war kognitiv dazu in der Lage. Ich denke, dass aus diesem Grund heraus sich nie etwas an den bizarren Zuständen ändern wird. Ich glaubte aber eben auch, dass sich durch eine Beschwerde meinerseits nichts bessern würde und somit habe ich nichts unternommen. Selbst die Pflegedienstleiterin ging auf diesem Wohnbereich ein und aus, sie wusste genau was da ablief ohne einzugreifen. Letztendlich habe ich es drei Wochen ausgehalten, bis ich den Entschluss fasste dieses Ehrenamt zu beenden. Ich hielt die Arbeitseinstellung der Kollegen und den trostlosen Anblick der Senioren nicht länger aus. Ich musste mich unbedingt abgrenzen und die negative Erfahrung hinter mich bringen. Auf Dauer hätte meine psychische Gesundheit enorm darunter gelitten.

Eine traurige Begebenheit möchte ich noch erwähnen, die mir eine Angehörige anvertraute. Sie erzählte mir, dass ihre Mutter beinahe an einer falschen Medikation verstorben wäre. Sie würde sehr gern und augenblicklich ihre Mutter in einem anderen Pflegeheim unterbringen, doch diese Art von Einrichtung gibt es leider nicht in ihrer Nähe. Es gibt in Sachsen nur einige wenige dieser geschlossenen Unterbringungen. In einem näheren Gespräch waren wir uns beide über die mangelnde Betreuung und Pflege der Bewohner einig. Da die Tochter wirklich regelmäßig vorbeischaute, konnte sie sich ein genaues Bild von dem Ablauf dessen machen. Ich fühlte ihre große Besorgnis und hätte mir für sie und ihre Mutter einen Ausweg gewünscht. Diese Begebenheit zeigte mir noch einmal deutlich, dass ich diese Arbeitsweise nicht länger unterstützen wollte.

Ich schrieb letztlich der Pflegedienstleiterin eine Mail, in der ich kurz mitteilte, mein Ehrenamtsvertrag beenden zu wollen. Ich bekam zunächst keine Antwort, somit sendete ich der Heimleiterin eine Nachricht. Sie meldete sich daraufhin zügig und bot mir ein Gespräch über die Beweggründe meiner Kündigung an. Dies lehnte ich ab und wusste, dass das höchstens eine Floskel war. Mir war natürlich vollkommen klar, dass sich durch meine Beschwerde niemals etwas ändern würde.

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